Stipendiatin

Shuteen Erdenebaatar

Als klassisch ausgebildete Musikerin in ihrer Heimatstadt Ulaanbaatar, Mongolei, entdeckte Shuteen Erdenebaatar mit sechzehn zum ersten Mal den Jazz. Das Gefühl der Freiheit, Musik nicht nur nach Noten, sondern aus dem Herzen heraus zu improvisieren war für sie ein einschneidendes Erlebnis. Deshalb entschied sie sich 2018 für ein Jazzmasterstudium nach München zu kommen, um ihren musikalischen Horizont zu erweitern.

Als sie anfangs ihres Studiums in München mit dem Kurt Maas Jazz Award 2021 ausgezeichnet wurde, war dies für sie die Bestätigung, mit ihren eigenen Kompositionen ihren individuellen Weg zu gehen. Als die Pandemie kam, nutze sie die Zeit um sich intensiv mit ihrer künstlerischen Identität auseinanderzusetzen und auch um aus dem eher konventionellen Studium auszubrechen. Gemeinsam mit Nils Kugelmann, Valentin Renner und Anton Mangold gründete sie deshalb das Shuteen Erdenebaatar Quartett.

Da es ihr schwer fiel, ihre musikalischen Ideen in ein einziges Projekt zu stecken, rief sie zwei weitere eigene Projekte ins Leben: Ein Duo aus Kontra-Alt-Klarinette und Klavier, das ihre „klassische“ Seite zeigt und ein konfiguriertes zwanzig-köpfiges Kammerjazzorchester, dass sich aus einer Kombination aus typisch „klassisch“ bezeichneten Instrumenten wie Horn, Tuba und Streichquartett sowie einer Art verkleinerter Bigband mit erweiterter Rhythmusgruppe zusammensetzt.

2023 unterschrieb sie mit allen drei Projekten einen Drei-Alben-Vertrag mit dem renommierten New Yorker Label Motéma. Ihr Debütalbum Rising Sun mit dem Shuteen Erdenebaatar Quartett wurde am 15. September 2023 als Auftakt zu dieser Trilogie veröffentlicht – ein Album, das Shuteens unterschiedliche Facetten zeigt. Die Arbeiten an den Alben mit Duo und Orchester haben schon begonnen.

Ich habe mit kleinen Schritten begonnen, um meine eigene Präsenz als Künstlerin zu stärken und zu definieren. Dieser Prozess trägt viel zu meiner Verantwortung und meinem Selbstvertrauen bei, mein Profil in meinem eigenen Tempo und auf meine eigene Weise aufzubauen, so wie ich es möchte. Ich sehe es als einen konstruktiven Prozess und eine unglaublich wertvolle Erfahrung, um mich als Künstlerin individuell weiterzuentwickeln...
© Ralf Dombrowski

© Ralf Dombrowski

"...Für mich geht es in meiner Musik darum, Geschichten zu erzählen, die sich natürlich anfühlen und die nachvollziehbar sind. Kunst ist für mich etwas, das nicht konstruiert ist, sondern das man in unmittelbarer Nähe (wieder)entdeckt. Als Jazzmusikerin mit klassischer Ausbildung und als Botschafterin zwischen verschiedenen Kulturen ist meine Musik durchdrungen von ehrlichen Empfindungen und Beobachtungen aus meinen eigenen Wahrnehmungen in der Musik und auch im Leben. In meinen Kompositionen versuche ich außerdem, den Musiker:innen und dem Publikum Raum für ihre eigene imaginäre Welt zu geben, in der sie ihre eigene Stimme zum Ausdruck bringen können."

Shuteens Vision ist es, einen interaktiven und integrativen Prozess zu schaffen, in dem sich die Musik sowohl durch einen Austausch der Musiker:innen untereinander als auch in der Verbindung mit dem Publikum ständig bewegt und weiterentwickelt. Sie möchte Musik für andere und nicht für sich selbst machen und Menschen etwas Neues zeigen, zu inspirieren, Freude und Frieden zu verbreiten.

Ich habe immer daran geglaubt, dass eine Person vielleicht nicht die ganze Welt verändern kann, aber sie kann die Welt für eine Person verändern. Ich erinnere mich oft daran, wie mich früher Aufnahmen von Maria Schneider, Mary Lou Williams und Geri Allen u.a. beeindruckt und geprägt haben und mir geholfen haben, an meine Stärken zu glauben. Genauso hoffe ich, dass ich ein Licht für meine nächsten Generationen anzünden und ihnen den Weg ebnen kann, dass alles möglich sein kann, wenn man hinter dem steht, was man will.

Ihr ist es wichtig, ein Miteinander zu schaffen zwischen Dingen, die meist getrennt zu sein scheinen – zwischen klassischer Musik und Jazz, zwischen Ost und West oder zwischen Menschen auf und vor der Bühne.

Jedoch lebt die Musikerin selbst getrennt von dem Ort, aus dem sie stammt und an dem ihre Persönlichkeit geformt wurde. Nachdem sie fünfzehn Jahre lang klassische Musik studiert hatte, fasste sie den Entschluss, aus Ulaanbaatar wegzuziehen und ihrem Wunsch nachzugehen, Jazzmusikerin zu werden. Dieser Ort führte sie nach München, dem Ort, an dem sie nun angekommen ist und an dem sie ihre künstlerische Identität gefunden hat. Um Raum für diesen Prozess zu haben, baute sie eine Distanz zum Alten auf.

© Georg Stirnweiß

© Georg Stirnweiß

„Ich wollte immer wieder die Nähe zu meinen Wurzeln herstellen, und das wird nun mit der Unterstützung der Concerto21 Stiftung geschehen. Gemeinsam mit der Stiftung planen wir zwei Konzerte in Ulaanbaatar und München, die eine Brücke zwischen meinen beiden Heimaten, zwischen zwei Kontinenten, zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen sollen. Plötzlich wird etwas, nach dem ich mich schon lange gesehnt habe und von dem ich nicht wusste, wie ich es realisieren soll, von Concerto 21 in jeder Hinsicht unterstützt und umgesetzt. Als klassische Musikerin verließ ich vor fünf Jahren meine Heimat und komme zurück als international beschäftigte Jazzmusikerin.“

Dieses Vorhaben möchte die Concerto21 Stiftung gemeinsam mit Shuteen Erdenebaatar filmerisch dokumentieren. Dabei erzählen wir nicht nur die Geschichte dieser herausragenden Musikerin, sondern eine ungewöhnliche und bereichernde Geschichte für die mongolische Kulturlandschaft.

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